9. Kölner Frauenparlament

Die Podiumsdiskussion

Frauen fragen nach!

Ca. 30 engagierte Frauen kamen am 3. September 2007 auf Einladung von Bezirksvorsteherin Helga Blömer-Frerker (CDU) ins Bezirksrathaus Lindenthal zur Podiumsdiskussion mit den Politikerinnen des Frauenparlamentes, die sich zu den Forderungen vom 15. März 2007 äußerten und von Erfolgen und Hindernissen berichteten.

Zu Beginn richtete Marita Alami die Grüße und guten Wünsche der Europaabgeordneten Ruth Hieronymi (CDU) aus. Sie hatte schriftlich zu den Forderungen Stellung genommen, weil sie wegen der Sitzungswoche des EU-Parlaments nicht in Köln war. So zeigte sie auf, dass die Forderungen nach gleicher, geschlechterunabhängiger Bezahlung und Ermöglichung von Teilzeitkarrieren in der Entschließung des Europaparlaments „Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006 – 2010“ vom 13. März 2007 und in der Mitteilung der EU-Kommission vom 18.07.2007 „Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles“ Berücksichtung finden. Außerdem wies sie auf die Entschließung des Europaparlaments „Ein Regelungsrahmen für Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familienleben und Studienzeiten für junge Frauen in der europäischen Union“ vom 19. Juni 2007 hin, worin die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, die EU-Fördermöglichkeiten der Gemeinschaftsfonds, insb. des ESF-Fonds für diese Ziele voll auszuschöpfen. Auch zur Forderung „Mehr Angebote für Frauen mit Gewalterfahrung“ konnte Ruth Hieronymi auf den entsprechenden Teil des oben genannten „Fahrplans für eine Gleichstellung …“ verweisen sowie auf das Daphne-Förderprogramm, welches in der laufenden Förderphase (2007 – 2013) mit 116,85 Mio. Euro ausgestattet ist. Ziel des Programms ist es, zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen vor jeglicher Form von Gewalt beizutragen und ein hohes Maß an Gesundheitsschutz, Wohlbefinden und sozialem Zusammenhalt herbeizuführen. So kann z.B. auch die Entwicklung von Unterstützungsprogrammen für Opfer und gefährdete Personen gefördert werden.

Die Bundestagsabgeordnete Ursula Heinen (CDU) berichtete dann von der Bundestagsdebatte zum 8. März 2007, bei der eine Reihe wichtiger frauenpolitischer Forderungen gemeinsam mit der SPD eingebracht wurde. Stichworte hierzu waren: Elterngeld: Gleichberechtigung auch beim Risiko – Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: verbindliche Lohntests, statt der jetzigen freiwilligen Umfragen – und „Führungskräfe-Dax“ mit dem Ziel, nicht nur beim Einkommen, sondern auch bei der Verteilung der ManagerInnen-Positionen zu einer Gleichberechtigung zu kommen. Sie ging auf die Anstrengungen des Bundes ein, die Rückkehr in den Beruf nach der Familienphase zu erleichtern und wies darauf hin, dass die nunmehr bereit gestellten Bundesmittel zur Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen für Unter-3-Jährige auch tatsächlich für die Betriebs- und institutionellen Kosten dieser Einrichtungen verwendet werden sollen.

Dr. Lale Akgün, welche für die SPD im Bundestag sitzt, begann ihr Statement mit dem Problemfeld der ‚working poor' und betonte: ‚Der Niedriglohn ist weiblich!“ Sie rechnete vor, dass bei einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro, wie er von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird, 15 % aller Vollzeit-beschäftigten Frauen in den alten Bundesländern (12 % in den neuen Bundesländern) Anspruch darauf hätten. Bei den Männern sind es entsprechend 5 bzw. 4 %. Die Bundestagsabgeordnete wies dabei auch auf den Zusammenhang zwischen fehlendem Mindestlohn und Lohndumping, Verbraucherinsolvenzen, niedrigen Rentenansprüchen (vor allem bei Frauen) hin. Zum Thema „Frühwarnsystem zur Verhinderung von (sexueller) Gewalt gegen Kinder und Verwahrlosung!“ forderte sie, dass die ärztliche Untersuchung der Genitalien in die regelmäßigen Vorsorgeuntersucherungen bei Kindern und Jugendlichen standardmäßig einbezogen werden solle, und berichtete zum Thema Zwangsheirat von den aktuellen Bemühungen der Bundesrepublik über ausländerrechtliche Neuregelungen der Heirat unter 18 Jahren entgegen zu wirken und ein Rückkehrrecht bis zu 2 Jahre nach einer Zwangsehe zu ermöglichen. Zum Thema Niedriglohn wurde von Seiten der Zuhörerinnenschaft auch auf die Forderung nach leistungsgerecht bezahlten Praktika hingewiesen und im Gespräch ein Regelungsvorschlag entwickelt, der analog zur Bindung der Minijob-Regelungen an die Person auch eine gesetzliche Praktikumshöchstdauer pro Person vorsehen könnte.

Für die Landesebene ging Ingrid Hack (MdL, SPD) ihrerseits auf das Thema Kinderbetreuung ein, wie es auch im diesjährigen Frauenparlament Bestandteil der Forderungen ist (Nr. 7 im Bereich Arbeit und Nr. 1 im Bereich Armut und Soziales). Sie stellte dar, dass das aktuell debattierte NRW-Kinderbildungsgesetz kontraproduktiv für diese Ziele sei und dass sie sich auch für die Landesebene eine so gute Frauensolidarität wie auf der Bundesebene wünsche. So seien die Kriterien für die Vergabe von Kita-Plätzen zu sehr an schon bestehender Erwerbstätigkeit orientiert. Aspekte wie Wunsch oder finanzielle Notwendigkeit, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, oder die Meinung von Jugendamt bzw. Kinderärztin / Kinderarzt, das Kind sei in der Kita besser aufgehoben als zu Hause, kämen zu kurz. Insgesamt entspreche das Kinderbildungsgesetz der aktuellen Tendenz in NRW, welche der Maxime ‚Privat vor Staat' folgte.

Als Mitglied des Rates der Stadt Köln widmete sich Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes (SPD) ebenfalls schwerpunktmäßig dem Thema Kinderbetreuung und erklärte die Investition in die Kinder zum wichtigsten politischen Ziel. Wobei alle Kinder mitgenommen werden müssten! Für Köln konnte sie Zahlen zum Stand der Kinderbetreuungsplätze für Kinder im Alter von 4 Monaten bis 3 Jahre nennen: am 1. August 2007 hatten 11,8 % dieser Kinder einen Platz. Sie berichtete außerdem von der Offenen Ganstagsgrundschule, welche zu positiven Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen sowie freien kulturellen Einrichtungen führe. Ziel sei es, dieses Modell auch auf die Sekundarstufe I auszuweiten. Dazu werden jedoch auch Landes- und Bundesmittel benötigt.

Brigitta von Bülow, ebenfalls im Rat der Stadt Köln (B'90/Grüne) berichtete von ihrem Engagement für die Einhaltung des städtischen Frauenförderplans, denn die Amtsleiter seine immer noch mehrheitlich männlich. Im Bereich des Ordnungsamtes gibt es zudem ein erstes Konzept zur Einführung von Gender Mainstreaming, welches nicht nur die städtischen Beschäftigten, sondern auch die KundInnen in den Blick nehmen soll. Zur Forderung „Mehr Barrierefreiheit in der Stadt“ konnte sie mitteilen, dass die Stadt mit dem Beschluss des Rates vom 19.06.2007 der Erklärung von Barcelona (entstanden anlässlich des Europäischen Kongresses «Die Stadt und die Behinderten» am 23. und 24. März 1995) unter dem Motto ‚Eine Stadt für alle' beigetreten sei. Eine Behindertenbeauftragte setzt sich für diese Ziele ein ebenso wie die Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik.

Bevor sich die Diskussion dann der Ebene der Bezirksvertretung zuwandte, wurde von Seiten der Zuhörerinnen noch an einige andere kommunalpolitische Forderungen des Frauenparlamentes erinnert, wie z.B. nach einer geschlechtergerechten Stadtplanung.

Die Lindenthaler Bezirksvertretung ist in der guten Lage, mit 10 weiblichen von insgesamt 19 Mitgliedern über eine weibliche Mehrheit zu verfügen. Da ja aus jeder Fraktion nur eine Bezirksvertreterin beim Frauenparlament mitwirken konnten, waren anwesend für die CDU Claudia Heithorst, für die SPD Lisa Steinmann, für B'90/Grüne Ulla Theisling und für die FDP Kaja Hoyer. Claudia Heithorst machte den Anfang und konzentrierte sich dabei vor allem auf den Zusammenhang von Beleuchtung und mehr Sicherheit, wie es auch in Punkt 3 im Bereich Lebensraum gefordert wurde, denn bei solcherlei Anliegen kann die Bezirksvertretung noch am ehesten etwas nachhaltig verändern und eigene Entscheidungen treffen. Zu anderen Themen der Kommunalpolitik sind es Anregungen, die von einer Bezirksvertretung ausgehen können, die Entscheidungen fallen dann im Stadtrat. Lisa Steinmann ergänzte zur Rolle der Bezirksvertretung im Konzert der politischen Ebenen: „Hier ist die Basis, die Politikerinnen auf dieser Ebene sind am nächsten an den Menschen dran.“ Sie nehmen Impulse aus der Bürgerschaft auf, stützen Initiativen und geben deren Inhalte an andere politische Ebenen weiter. Zum Punkt 6 im Bereich Lebensraum ‚Weniger Schmutz auf Straßen und Plätzen' gab sie noch den Hinweis, dass es auch private Initiativen in diese Richtung gäbe, die gerne unterstützt würden. Auch Ulla Theisling warb dafür, die Ebene der Bezirksvertretung in den Blick zu nehmen. Frauen sollen sich ruhig schon sehr früh an die Bezirksvertretungsmitglieder wenden, denn „wenn etwas in der Zeitung steht, ist es meist schon zu spät!“ Außerdem griff sie die Forderung 2 aus dem Bereich Armut und Soziales auf, in dem sie meinte, dass ein Mehrgenerationenhaus auch in Lindenthal gut möglich sei. Sie beklagte den geringen Anteil an öffentlich gefördertem Wohnraum im Stadtbezirk und gab zu bedenken, dass die Wohnbebauung nicht zu einseitig werden dürfe. Zum Thema Baumschutz konnte sie berichten, dass zumindest erreicht werden konnte, dass die Bezirkvertretung inzwischen frühzeitiger von der Verwaltung über geplante Baumfäll-Maßnahmen informiert wird als früher. Katja Hoyer schließlich betonte auch ihrerseits die Nähe der Bezirksvertretungsebene zur unmittelbaren Realität, die sich oft erheblich von den hehren Konzepten auf Bundes- und Landesebene unterscheidet. Insofern sei es wichtig, die konkreten Erfahrungen vor Ort nach oben weiter zu geben. Zum Thema Barrierefreiheit wertete sie es als einen Erfolg, dass die Stadt nun eine Behindertenbeauftragte habe, und berichtete von der konkreten Arbeit vor Ort, als es in der Bezirksvertretung zu verhindern galt, dass am Klarenbachwerk eine Treppe ohne Rampe gebaut wurde.

Insgesamt also wieder ein sehr fassettenreicher Abend, der auch im Zusammentreffen dieser Spannbreite der politischen Ebenen durchaus eine Besonderheit darstellt.


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